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VSKZ: Berufspolitik - Juni 2020

Mehr Wertschätzung und Unterstützung für Lehrpersonen 

Die VSKZ ist der Ansicht, dass Lehrpersonen mehr Wertschätzung und Unterstützung zukommen sollte, weil sie für die Schüler(innen) eine sehr wichtige Rolle spielen und deren Entwicklung nachhaltig prägen. Für Kinder und Jugendliche im Schulalter stellen sie wichtige Bezugspersonen in ihrem Alltag dar, zu denen sie im besten Fall vertrauensvolle und für ihre weitere Entwicklung hilfreiche Beziehungen aufbauen können. Ein Mangel an Lehrpersonen und schulischen Heilpädagog(inn)en ist schnell mit einem häufigen Wechsel der Bezugspersonen verbunden und kann sich insbesondere bei jüngeren Kindern und Kindern aus einem belasteten Elternhaus negativ auf die Entwicklung auswirken. Sichere und verlässliche Bindungen spielen für den Lernerfolg der Schüler(innen) eine entscheidende Rolle. Können solche schlecht oder gar nicht aufgebaut werden, kann dies Auswirkungen auf das schulische Selbstvertrauen und den schulischen Erfolg eines Schülers oder einer Schülerin haben. 

Die Notwendigkeit einer Beziehungsgestaltung zwischen Lehrperson und Schüler(inne)n ist auch aus neurobiologischer Sicht unabdingbar. Das menschliche Gehirn ist auf eine gute zwischenmenschliche Beziehung angewiesen (Insel, 2003). Bedeutung für einen anderen Menschen zu haben, von ihm wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden, ist weit mehr als ein psychologisches Wunschziel, sondern die Voraussetzung für die biologische Aktivierung des Motivationssystems des menschlichen Gehirns. Wahrgenommen werden, soziale Unterstützung, Wertschätzung und die Erfahrung von Gemeinschaft veranlassen die Nervenzell-Netzwerke Dopamin (Botenstoff für psychische Energie), körpereigene Opioide (Wohlfühlbotenstoffe) und Oxytozin (ein Vertrauens- und Kooperationsbereitschaft förderndes Hormon) auszuschütten. Daher wäre ein pädagogisches Konzept, welches die Vorgänge der persönlichen Begegnung von Lehrenden und Lernenden ausblendet, zumindest aus neuropsychologischer Sicht unprofessionell. Ein unpersönlicher Umgangsstil und ein Verzicht auf die emotionalen Komponenten der menschlichen Begegnung haben bei Kindern und Jugendlichen nicht nur eine Deaktivierung der Motivationssysteme, sondern auch eine Aktivierung der Stresssysteme zur Folge. 

Kern jeder zwischenmenschlichen und insbesondere der pädagogischen Beziehung ist Spiegelung und Resonanz. Spiegelung und Resonanz beeinflussen, obschon überwiegend implizit, das Geschehen im Klassenzimmer. Durch die Aktivierung der Netzwerke der Spiegelneuronen spüren Lehrkräfte, was bei den Schüler(inne)n vor sich geht und die Lernenden nehmen dies wiederum wahr. Als soziale Wesen sind Menschen auf verstehende Zuwendung angewiesen, welche für die Lernenden spürbar wird, wenn die Lehrkräfte Resonanz zeigen. Dies beinhaltet Interesse an den Schüler(inne)n, Engagement und Unterstützung für das emotionale und kognitive Fortkommen sowie Zutrauen und Zumuten. 

Ein zweites zentrales pädagogisches Element ist die klare Führung der Lehrperson, resp. Führung durch Beziehung. Führung bedingt die adäquate Regulierung von Nähe und Distanz (Bauer, 2010). Schulisches Lehren und Lernen sind in ein intensives und dialogisches Beziehungsgeschehen eingebettet. Eine gelingende Beziehungsgestaltung ist eine zwingende Voraussetzung für den schulischen Bildungsprozess, weil nur dadurch Bildungsinhalte vermittelt werden können (Bauer, 2007).

Die Lehrperson spielt eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden der Lernenden und prägt im erheblichen Ausmass die positive oder negative Einstellung zur Schule (Hascher, 2004). In der Schule ist das "Sich-wohl-fühlen-können" ein elementares Anliegen, denn wer sich schlecht fühlt, kann weniger gut lernen, zuhören und mitmachen (Frick, 2008). Häufige Wechsel der Lehrpersonen haben somit zur Folge, dass keine solide Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden aufgebaut werden können, was zu Stress und unzureichender Vermittlung von Bildungsinhalten führen kann. 

Doch nicht nur der Aufbau einer guten Lehrer-Schüler(innen)-Beziehung sondern auch die Persönlichkeit, die Befindlichkeit und Motivation der schulischen Fachpersonen spielen eine wichtige Rolle, damit sich Lernende optimal entwickeln können. Lehrpersonen sollten starke Persönlichkeiten sein, eine stabile Identität aufweisen sowie Zusammenhänge aufzeigen können. Sie sind Fachkräfte für Unterricht und Erziehung sowie Bezugspersonen für die Lernenden (Frick, 2008) und haben somit eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Damit Befindlichkeit und Motivation von Lehrpersonen einen förderlichen Einfluss auf die Lernenden ausüben können, sind gute Arbeitsbedingungen notwendig. Um verlässliche Bindungen zu den Schülerinnen und Schülern aufbauen zu können, brauchen wir motivierte Lehr- und Fachlehrpersonen, die sich in ihrer beruflichen Rolle wohl und von der Gesellschaft, den Eltern, den Vorgesetzten genügend unterstützt und geschätzt fühlen. 

Aus Sicht der VSKZ sind diese Bedingungen immer häufiger nicht mehr gegeben. Trotz teilweise grosser Bemühungen im Hinblick auf eine förderliche Beziehungsgestaltung werden Lehrpersonen häufig kritisiert und die erwünschte Wertschätzung ist oft unzureichend. Gleichzeitig scheinen die beruflichen Anforderungen zunehmend komplexer und anspruchsvoller zu werden. Eine solche Entwicklung kann sich kaum förderlich auf die Schüler(innen) auswirken. Unsere Lehrpersonen brauchen wieder eine bessere Unterstützung durch die Schulen, die Politik und die Gesellschaft sowie genügend zeitliche Ressourcen, um den komplexen Anforderungen des Lehrberufs nachzukommen. Die Gründe für den aktuellen Lehrer(innen)mangel sind sicherlich vielschichtig. Die VSKZ sieht es aber als eine ihrer Aufgaben, Möglichkeiten zu finden, wie die Anerkennung des Lehrberufs gesteigert, die Wertschätzung verbessert und die Schulentwicklung auch von uns Schulpsychologinnen und Schulpsychologen positiv mitbeeinflusst werden kann. 

Der VSKZ-Vorstand pflegt deshalb neben seiner Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie (SKJP) zunehmend auch regelmässigen Kontakt zu weiteren Berufsverbänden im Umfeld Schule. Bisher etablierte Vernetzungstreffen finden mit dem Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV), dem Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden (zbl), dem Berufsverband für Heil- und Sonderpädagogik Schweiz (BHS) sowie mit dem Verband Psychomotorik Schweiz (Sektion Zürich) statt. Dabei versuchen wir, gemeinsame und aktuelle Themen zu definieren und uns auch hinsichtlich politischer Stellungnahmen auszutauschen; so wie in der Vergangenheit bereits mit den Heilpädagogischen Früherzieher(inne)n des Kantons Zürich, mit denen wir damals eine gemeinsame politische Stossrichtung eingeschlagen haben. 

 

Literaturliste
Bauer, J. (2007): Lob der Schule. Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern. Hamburg: Hoffmann und Campe.
Bauer, J. (2010). Die Bedeutung der Beziehung für schulisches Lehren und Lernen. Eine neurobiologisch fundierte Perspektive. Reformpädagogik 7-8, Klett Kallmeyer Verlag, S. 6-9.  
Frick, J. (2008). Beziehungsgeschehen und Motivation. Die Bedeutung der Lehrer/innen-Schüler/innen-Beziehung. ph akzente 4. S. 22-25.
Insel, T. (2003): Is social attachment an additive disorder? In: Physiology and Behavior, Bd. 79, S. 351-357.