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Corona - Juni 2021

Long Covid – Psychotherapie als wichtiger Behandlungsbaustein

Long Covid, auch Post Covid genannt, ist wohl verbreiteter als angenommen. Heute geht man von ca. 10% aller mit Corona infizierten Personen aus, die entsprechende Long-Covid-Symptome entwickeln, wobei diese Zahl aufgrund der Dunkelziffer möglicherweise einiges höher liegen könnte. 

Interessant ist auch, dass die Entwicklung von Long Covid-Symptomen wohl unabhängig des Schweregrades der akuten Erkrankung und teilweise sogar mit einer zeitlichen Latenz nach der akuten Phase auftreten kann. Es wurde selten sogar von asymptomatischen Akutverläufen berichtet, die dann zu Long-Covid-Symptomen führten. 

Die Symptome reichen von Kopfschmerzen, Atemnot, Schwindel, über Gedächtnisstörungen, Schmerzen in den Fingern, Geruchs- und Geschmacksstörungen bis hin zu Erschöpfung mit Muskelschmerzen und bleierner Müdigkeit, so dass der normale Tagesablauf kaum mehr zu bewältigen ist. Relevant sind zudem die damit verbundenen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden der Betroffenen.

Bisher gibt es keine offizielle Diagnose von Long Covid. Laut NICE-Leitlinien (National Institute for Health and Care Excellence, GB) spricht man von Long Covid, wenn Symptome während oder nach einer Corona-Infektion auftauchen, mehr als 12 Wochen anhalten und nicht durch eine andere Diagnose erklärt werden können. Man geht dabei von einem eigenständigen Krankheitsbild aus. Dieses stellt eine grosse Herausforderung dar, die sich nur inter- und multidisziplinär erforschen und angehen lässt. 

Medikamentös geht man aktuell vor allem gegen die Müdigkeit und die Schlafstörungen vor. Dabei werden Antidepressiva oder Medikamente gegen die Müdigkeit bei MS-Kranken eingesetzt. Zudem wurden diverse spezialisierte Sprechstunden geschaffen. So gibt es sowohl am Universitätsspital Zürich wie auch am Waidspital entsprechende Angebote. Es gibt inzwischen auch Rehakliniken, die sich auf die Behandlung von Post-Covid-Fatigue spezialisiert haben. Ein wichtiges Netzwerk stellt auch Altea dar (www.altea-netzwerk.ch), das von der Lunge Zürich geschaffen wurde.  

Psychotherapie als wichtiger Behandlungsbaustein

Sehr wichtig bei der Behandlung ist eine psychologische Unterstützung, denn häufig treten auch Ängste, Panikattacken und Depressionen vermehrt auf. Die Betroffenen beklagen zudem häufig, dass sie vom Umfeld, aber teilweise auch von Ärzten, nicht ernst genommen werden, was zu zusätzlichem psychosozialen Stress führt. So entstanden ergänzend bereits viele Selbsthilfegruppen oder -netzwerke u.a. auch auf den sozialen Medien. 

Da insgesamt noch vieles unklar ist, existieren auch noch keine spezifischen Behandlungsempfehlungen. Aus psychotherapeutischer Sicht stehen ressourcenaktivierende und supportive Interventionen im Vordergrund, die auf die Bewältigung der Symptomatik ausgerichtet sind. 

Aktivitätsmanagement beim Chronischen Fatigue Syndroms

Steht nach 6 Monaten immer noch eine stark ausgeprägte Müdigkeit im Zentrum, dann spricht man auch vom Chronischen Fatigue Syndrom (CFS), auch Myalgische Enzephalomyelitis (ME) genannt. Diese Post-Covid-Fatigue tritt häufiger bei jüngeren Personen zwischen 20 und 40 Jahren und häufiger bei Frauen auf. CFS/ME treten auch häufig als Folge anderer Infektionskrankheiten wie bspw. Grippe, Epstein-Barr-Virus, Ebola-Virus oder Ross-River-Virus auf.

Aus der Behandlung des CFS kennt man auch spezifische Methoden, wie bspw. das Pacing, ein Aktivitätsmanagement bei schonendem Umgang mit den eigenen Ressourcen. Dabei ist eine Tagebuchführung bezüglich Überanstrengungsmuster wichtig. Nicht nur physische sondern auch kognitiv anstrengende oder emotional belastende Situationen können zu Überanstrengung führen. Sinnvoll kann auch ein Pulsmessgerät sein, um die Belastungsschwellen des Körpers gut beobachten und kontrollieren zu können. Jedenfalls sollte bei Auftreten einer Post-Covid-Fatigue nicht zu lange mit dem interdisziplinären Symptommanagement zugewartet werden, um das Chronifizierungsrisiko zu reduzieren.