ZÜPP

Erfahrungen eines Notfallpsychologen, November 2019

Manchmal kommt es im Leben zu Situationen, in denen der Alltag auf drastische Weise durchbrochen wird. In solchen Fällen - ob durch menschliches Verhalten, Naturkatastrophen oder technisches Versagen verursacht – kommt ein Notfallpsychologe zum Einsatz. An der letzten ZüPP-Fortbildung gab uns Dr. phil. Urs Braun einen Einblick in seinen Berufsalltag.

Dr. phil. Urs Braun in der Linde Oberstrass

Am 5. November 2019 fand in der Linde Oberstrass in Zürich bereits wieder die letzte diesjährige ZüPP-Fortbildung statt. Das spannende Thema Notfallpsychologie vermochte ein breites Publikum zu interessieren, weshalb die Veranstaltung mit knapp 100 Teilnehmenden sehr gut besucht war. Dr. phil. Urs Braun erläuterte uns sein Tätigkeitsfeld nicht nur anhand von Fakten, sondern vor allem durch Fallbeispiele, was den Vortrag sehr lebendig machte.

Braun selbst fand eher zufällig zur Notfallpsychologie, als er während der Umweltkatastrophe 2009 nach Gondo gerufen wurde, wo 13 Menschen aufgrund einer Schlammlawine umkamen. Heute ist er Mitglied des Nationalen Netzwerkes psychologische Nothilfe (NNPN) und einer ständigen Fachgruppe des koordinierten Santitätsdienstes (KSD). Er beschreibt seine Faszination an der Tätigkeit darin, selbst in einer Situation handeln zu können.

Seinen Berufsalltag stellte Braun anhand praktischer Beispiele dar. So schilderte er unter anderem den tragischen Unfalltod eines 7-jährigen, dessen Eltern er danach begleitet und betreut hatte. Braun merkte an, dass Notfallpsycholog(inn)en sowohl den Betroffenen wie sich selbst genügend Zeit geben müssen. Seine Arbeit bestehe in erster Linie aus Begleitarbeit in einer Krisensituation, eine Therapie werde im Regelfall seitens der Notfallpsycholog(inn)en nicht angeboten.

Der Umgang mit solch belastenden Szenarien wirft natürlich die Frage auf, wie man selbst damit zurechtkommt. Braun betonte, dass eine Abgrenzung essentiell sei. Man dürfe seine Arbeit auf keinen Fall mit nach Hause nehmen. Wenn er einen Termin von 18 bis 21 Uhr habe, dann sei er zu dieser Zeit vollständig für die betroffenen Personen da. Danach habe er seine Aufgabe erfüllt und die eigene Belastung sei dann beendet.

Braucht es nun aber in jeder kritischen Situation notfallpsychologische Betreuung? Braun verneinte dies und warnte gar vor «Fürsorgeaggressivität»: Menschen seien sehr unterschiedlich und nicht jeder erleide aufgrund einer kritischen Situation ein Trauma, genauso, wie es nicht immer eine kritische Situation brauche, um notfallpsychologische Betreuung zu rechtfertigen. Dazu schilderte Braun den Fall eines Bergretters, bei welchem sehr viele kleine Ereignisse das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht haben. Braun erwähnte in diesem Zusammenhang auch Peer-Programme, welche beispielsweise bei der Kantonspolizei St. Gallen zum Einsatz kommen und einen guten Erfolg vorweisen können.

Das spannende Referat regte schliesslich zu einer Fragerunde an, in welcher auch der Einsatz von Medikamenten zur Beruhigung in Krisensituationen heiss diskutiert und mit Erfahrungen aus dem Publikum ergänzt wurde. Den Abschluss bildete schliesslich wiederum ein Apéro, der zum weiteren Austausch anregte. Interessierte finden die PowerPoint-Präsentation des Abends wie immer im Mitgliederbereich.