ZÜPP

ZüPP-Fortbildung - Februar 2021

Umweltpsychologie und Nachhaltigkeit – ein breites Anwendungsgebiet mit Potential

Am 2. Februar 2021 freute sich der ZüPP, Dr. Eike von Lindern als Referenten zu der aktuellen Situation der Umweltpsychologie begrüssen zu dürfen. Der Vertretungsprofessor für Umweltpsychologie und Nachhaltigkeit an der Hochschule Darmstadt sowie Gründer und Co-Geschäftsführer von Dialog N referierte online vor rund 130 Teilnehmenden und sorgte mit seinem Input für reichlich Gesprächsstoff in der abschliessenden Diskussions- und Fragerunde.

Nachdem Willy Hellpach bereits in den 1940er-Jahren die Wirkung von Umwelteinflüssen auf die «Menschenseele» als geopsychische Erscheinungen thematisierte, definiert von Lindern die Umweltpsychologie heute breiter, da neue Theorien entwickelt und bestehende um den Umweltfaktor ergänzt wurden. Mit Bezug auf Kurt Lewin, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts für die Umwelt interessierte und das Verhalten als Funktion aus Person und Umwelteigenschaften beschrieb, leitete der Referent schliesslich folgende Definition ab: Umwelt ist, was psychisch wirksam ist.

Wie kommt man also von der Theorie zur Praxis? Die Umweltpsychologie beginnt nach Dr. von Lindern bereits mit alltäglichen Faktoren wie Ernährung, Littering und Mobilität, die durch den Einzelnen reguliert werden können. Zurzeit merken wir den grossen Einfluss unseres Lebensraums auf die Gesundheit besonders stark, und viele Personen sind von Stress und mentaler Ermüdung betroffen. Der Referent betonte deshalb die Wichtigkeit der Umweltkommunikation und wie man das Erleben, Verhalten und Bewusstsein der Bevölkerung positiv verändern kann.

Von Lindern veranschaulichte die Zusammenhänge von allgemeinem Wohlbefinden und Gesundheit anhand verschiedener Fakten: So ist zum Beispiel bekannt, dass der subjektive Gesundheitszustand abnimmt und 70% der Berufstätigen sich in einem sensitiven Bereich des Job-Stress-Indexes befinden. Umso wichtiger ist der Fokus auf unsere Ressourcen und die Reduktion von möglichen Stressoren. Dass naturnahe Umwelten, Parks und Wälder mit positiven Effekten für Gesundheit und Wohlbefinden sowie mit Stressreduktion in Verbindung gebracht werden, belegte der Referent einerseits mit der Psychophysiologischen Stressreduktionstheorie nach Ulrich und der Attention Restoration Theorie von Kaplan & Kaplan.

Belegbare Erkenntnisse und Ergebnisse liefert auch das AkIdEn, ein internationales Forschungsprojekt in 8 UNESCO-Biosphärenreservaten, das sich zusammensetzt aus AKzeptanz, IDentifikation und ENgagement, und in dem Eike von Lindern ebenfalls forschend tätig ist (weitere Informationen zum Projekt: https://www.dialog-n.ch/unesco-biosphere.html).

Ein wichtiges Anwendungsgebiet der Umweltpsychologie sieht Dr. von Lindern ausserdem darin, junge Menschen zu befähigen, aktiv eine zukunftsfähige Welt mitzugestalten. Besonders betonte er dabei das selbstbestimmte Lernen, das sich kennzeichnet durch Autonomie, Komplexität und Selbstbewertung. Als Beispiel stellte der Professor das Projekt «N-Trail» vor, dessen Ziel es ist, auf spielerische Weise umwelt- und nachhaltigkeitsrelevante Themen zu veranschaulichen und zu mehr Engagement und körperlicher Bewegung anzuregen. In Form einer Schnitzeljagd soll der N-Trail Verhaltenstipps vermitteln und die individuelle Partizipation sowie die Regionalentwicklung und Sichtbarkeit fördern. Durch die Befriedigung der Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit wird ausserdem die intrinsische Motivation gestärkt (weitere Informationen zum N-Trail: https://www.dialog-n.ch/n-trail-details.html).

Zum Abschluss des Referats stellte Dr. von Lindern die aktuelle Umweltkommunikation des Bundesamts für Umwelt (BAFU) vor und zeigte das ausbaufähige Potential auf. So weisen aktuell viele Projekte und Kampagnen nur einen geringen Theoriebezug auf, was die Operationalisierung und Evaluation erschwert. Ein theoriegeleitetes Rahmenmodell sieht der Referent als notwendig, um nachhaltiges Verhalten effizient zu fördern.

Gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie stellte sich auch unter den Teilnehmenden die Frage, wie man trotz all den sozialen Beschränkungen Stress abbauen kann. Ein Fazit der anregenden Fortbildung war: die Umweltpsychologie gewinnt immer mehr an Bedeutung – und ihr Potential zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ist noch längst nicht ausgeschöpft.


Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten:
https://dialog-n.ch/