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Erfahrungsberichte aus dem Kanton Zürich  - September 2020

Schulpsycholog(inn)en im Corona Lockdown 

Die VSKZ hat einige Schulpsychologinnen und Schulpsychologen mit Kindern gefragt, wie es ihnen in der Zeit des Corona-Lockdowns ergangen ist und wie sie mit dieser neuen herausfordernden Situation umgegangen sind. Die drei Kurzinterviews geben Einblicke in den Arbeitsalltag in Zeiten von Corona (*Namen geändert).

Wie ist es dir emotional ergangen in der Zeit des Lockdowns?

Susanne*: Zu Beginn des Lockdowns war ich mit einer Erkältung zu Hause und stark verunsichert. Ich war auf der Suche nach Informationen und habe alles über Corona eingesaugt. Bald habe ich aber gemerkt, dass diese mediale Informationsflut schlecht für mich ist, und ich habe angefangen, nur einen ausgewählten Newsletter zu lesen und die Tagesschau zu schauen. Insgesamt merkte ich, dass diese Entschleunigung auch viele positive Seiten für mich und meine Familie hatte, und ich das terminfreie Leben genoss.

Andreas*: Der Lockdown kam für mich nicht unerwartet, und ich war dementsprechend nicht überrascht. Die Auswirkungen auf die Arbeitssituation habe ich dennoch unterschätzt, zumal wir im Kern unserer Arbeit eingeschränkt waren. Der direkte Kontakt mit unseren Klienten und Klientinnen war nicht mehr möglich. Privat ging es mir gut. Die coronabedingte Arbeitssituation empfand ich als unbefriedigend.

Heike*: Es gab Hochs und Tiefs. Die Unsicherheit, wie es in der Schule und am Arbeitsplatz weiter geht, fand ich schwierig. Belastend fand ich auch die Angst um meine Eltern, die beide zur Risikogruppe gehören. Andererseits gab es mehr Freiheiten, beispielsweise weniger Termine und mehr Zeit mit der Familie. Man reflektiert wieder, was eigentlich wichtig ist im Leben und was nicht. Es beruhigte mich zu wissen, dass ich einen relativ sicheren Job habe.


Was gab es für Herausforderungen? 

Susanne: Meine Kinder besuchen zwei Tage pro Woche die Kita. Unsere Kita war nie geschlossen, aber es kam die Anweisung, dass wir wenn möglich die Kinder zu Hause behalten sollen. Mein Mann und ich hatten deswegen viele Diskussionen. Ist nun sein Beruf systemrelevant? Wäre es für die Kinder nicht besser, weiterhin zur Kita gehen zu dürfen? Wie organisieren wir die Kinderbetreuung? Schlussendlich haben wir uns entschieden, dass wir die Kinder zu Hause behalten, weil es in der Coronapandemie ja nicht nur um die einzelnen Individuen sondern um das Wohl der Gemeinschaft geht.

Andreas: Unsere Dienstleistungen im SPD irgendwie aufrechtzuerhalten war herausfordernd. Da die Schulen geschlossen und stark mit der Organisation des Homeschoolings beschäftigt waren, gelangten weniger Anfragen an uns. Von den Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen erfuhr ich während des Lockdowns, dass die Nachfrage nach Unterstützung stark gestiegen sei. Der Bedarf nach Beratung war vorhanden und gleichzeitig waren wir in unseren Handlungsmöglichkeiten limitiert. Die Ämter und die Beratungsstellen hatten ebenfalls ihren Betrieb reduziert. Die eingerichteten Helfersysteme und Strukturen waren grösstenteils nicht mehr vorhanden. Das hat mich beschäftigt.

Heike: Dass es anfangs im SPD keine Vorgaben gab, was von uns erwartet wird und wie wir unsere Arbeit anpassen müssen, war schwierig. Daheim meine Kinder zu betreuen und zu beschulen und dabei gleichzeitig zu arbeiten, war ebenfalls eine grosse Herausforderung.


Welche Vorteile konntest du aus dieser Zeit ziehen und welche Nachteile ergaben sich daraus?

Susanne: Nachdem wir uns als Familie an den neuen Rhythmus gewöhnt und unser Homeoffice-Kämmerchen eingerichtet hatten, gab es auch viele positive Seiten. Die Kinder genossen es, dass es weniger Stress gab und sie nicht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein mussten. Die vermehrte gemeinsame Zeit als Familie, die vielen Erlebnisse in der Natur und die digitalen Jass- und Apéro-Abende mit Freunden und Familie bleiben mir positiv in Erinnerung. Aber es war auch schwierig, den Kindern zu erklären, wieso sie jetzt die Grosseltern, Freundinnen und Tanten so lange nicht sehen dürfen. Es tat weh, meiner sozial aufgeschlossenen vierjährigen Tochter auf dem Spielplatz zu sagen, dass sie jetzt nicht mit ihrem Kita-Freund zusammen herumtoben und spielen soll oder dass sie die ältere Nachbarin nicht mehr zur Begrüssung umarmen darf.

Andreas: Es gab einzelne Klienten, die von der Lockdown-Zeit profitiert haben. Da gab es ein paar überraschend positive Wendungen, welche ich nicht erwartet hätte. Gesamthaft ist der Lockdown mit erheblichen Nachteilen verbunden, dessen Auswirkungen noch nicht absehbar sind. Insbesondere für Kinder, die im Sommer einen Schulübertritt hatten, war die Situation schwierig.

Heike: Als Familie hatten wir mehr Zeit und Musse und waren oft draussen in der Natur, was sehr schön war. Meine Kinder genossen es, mehr Zeit zum Spielen zu haben. Hier ergab sich durch das Homeoffice mehr Flexibilität. Die Nachteile waren wohl für alle dieselben: keinen persönlichen Kontakt zu Familie und Freunden, alltägliche Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit, Unsicherheit etc.


Was hat deine Dienststelle dazu beigetragen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie während des Lockdowns zu gewährleisten? Was wäre zusätzlich noch unterstützend gewesen?

Susanne: Ich hatte das Glück, dass mein Arbeitgeber ein sehr grosszügiges und zuvorkommendes Reglement gegenüber Familien hatte. Ich durfte einen Tag pro Woche meine Kinder auf Arbeitszeit betreuen. Dies hat vieles einfacher gemacht. Es war klar, dass wir einen grossen Teil der Arbeitszeit im Homeoffice machen durften. Es dauerte eine Weile, bis die entsprechende digitale Infrastruktur eingerichtet wurde, und wir mussten mehrheitlich auf unseren privaten Geräten (bspw. PC, Telefone) arbeiten, was ich aber in der Ausnahmesituation auch völlig in Ordnung fand.

Andreas: Unser Dienst hatte rasch auf die neue Situation reagiert und Massnahmen eingeleitet. Bei uns wurde abwechselnd zwischen Homeoffice und Büro gearbeitet. Die Homeoffice-Situation war für mich jedoch ungünstig, da ich zuhause zum Arbeiten nicht eingerichtet bin. Mit den Kindern war es nicht immer einfach daheim. Ich wäre da gerne ein bisschen flexibler gewesen, zumal man noch nicht wusste, wie lange dieser Zustand dauern würde. Im Nachhinein weiss man es manchmal besser.

Heike: Mein Arbeitgeber hat mir viel Vertrauen entgegengebracht, nach dem Motto „Mach einfach, was du kannst. Was nicht geht, lass sein“. Dass ich daheim auch Kinder betreuen musste, war von Anfang an klar und wurde dabei berücksichtigt. Die Vorgaben für den SPD waren sehr offen, wir haben darum vieles in unserem Kleinteam besprochen und selber nach bestem Wissen und Gewissen bestimmt, was uns machbar erschien. Dabei haben wir uns auf das Sicherheitskonzept der SLK und die Leitlinien der VSKZ abgestützt, das war hilfreich. Wir konnten schon vor Corona im Homeoffice arbeiten. Hierbei wäre besseres Equipment hilfreich gewesen. Dies wird nun aber nachgeholt, sodass wir bald bestens ausgerüstet sind.